Selbstverwirklichung: Lass niemanden über dein Leben bestimmen

Wir alle streben nach Selbstverwirklichung und wollen selbstbestimmt leben. Oft werden wir daran gehindert, durch andere oder unseren inneren Kritiker. Wie du das ändern kannst, erfährst du in diesem Beitrag.

Selbstverwirklichung: Lass niemanden über dein Leben bestimmen
© Gabriel Gurrolla, unsplash.com

Was bedeutet Selbstverwirklichung?

Selbstverwirklichung, tun, was einem wichtig ist, das ist entscheidend für die Zufriedenheit im Leben. Was heißt es aber eigentlich, sich selbst zu verwirklichen? Letztlich heißt es nichts anderes, als sich von äußeren Einflüssen und Zwängen freizumachen und das Leben zu führen, das man führen will. Es bedeutet zunächst, dass man in sich hineinhört und sich folgende Fragen stellt:

Niemand kennt unsere Bedürfnisse, Träume und Wünsche besser als wir selbst. Deshalb können wir uns auch nicht auf andere verlassen, sondern müssen selbst etwas dafür tun, dass sie erfüllt werden. Menschen, die ein erfülltes Leben führen, hören auf ihre innere Stimme:

„Tue das, das ist wichtig für dich.“

Sie hören nicht auf die andere, eher kritische Stimme in ihnen, die sagt: "Was werden die anderen denken? Das gehört sich nicht. Das tut man nicht. Andere tun das auch nicht." Und schon gar nicht hören Menschen, die der Stimme ihres Herzens folgen, auf andere, die sie kritisieren oder sie von ihrem Weg abbringen wollen. Sie orientieren sich in ihrem Handeln an ihren eigenen Bedürfnissen und Wünschen und entscheiden dann, was für sie richtig und falsch ist.

Menschen, die ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen, tun, was sie für richtig halten, auch wenn sie dabei auf Kritik stoßen.

Warum scheitern wir oft auf unserem Weg zu einem selbstbestimmten Leben?

Menschen mit einem geringen Selbstvertrauen und großer Angst vor Ablehnung übernehmen meist die Maßstäbe und Normen anderer Menschen. Sie lassen sich von anderen Menschen sehr stark in ihrem Handeln beeinflussen. Sie neigen dazu, sich ihr Leben so einzurichten, wie andere es für gut und richtig finden. Sie lassen sich von anderen in ihre Angelegenheiten hineinreden. Sie kennen meist auch ihre Wünsche und Bedürfnisse sehr genau, getrauen sich aber nicht, sie in die Tat umzusetzen. Sie hören mehr auf die Stimme, die ihnen sagt, dass es nicht recht sei, so egoistisch zu sein.

Wer zu sich selbst finden will, darf andere nicht nach dem Weg fragen.

– Paul Watzlawick

Wir alle haben in uns den Drang, uns selbst zu verwirklichen. Wir folgen ihm jedoch oft nicht, weil wir in uns eine blockierende Stimme hören, die uns daran hindern will. Diese Stimme versucht, uns davon abzuhalten, das zu tun, was wir uns in unserem Innersten so sehr wünschen. Sie versucht, uns einzureden, dass es nicht vernünftig sei, dass wir egoistisch sind, dass wir uns blamieren werden, dass andere auch nicht so leben, dass andere uns ablehnen werden, dass wir kindisch sind, dass wir nicht das Recht hätten usw.

Wenn wir uns in unserem Handeln von dieser negativen inneren Stimme oder der Meinung anderer leiten lassen, dann begehen wir einen großen Fehler. Wir übersehen dann, dass das, was für andere gut und richtig ist, nicht auch für uns gut und richtig sein muss.

 

So gelingt die Selbstverwirklichung

Du kennst vielleicht Redensweisen wie: "Was des einen Freud, ist des anderen Leid" und "Was für den einen Menschen Medizin ist, ist für den anderen Gift". Wir Menschen unterscheiden uns hinsichtlich unserer Wünsche und Träume. Wir haben unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen vom Leben. Niemand kennt unsere Sehnsüchte und Bedürfnisse besser als wir.

Deshalb bleibt jedem Menschen auch nur die Möglichkeit, sich an den eigenen Bedürfnissen zu orientieren.

Jeder muss selbst wissen, was für ihn wichtig ist und welchen Weg er in seinem Leben einschlagen will. Tag für Tag treffen wir Entscheidungen, die unser Leben und unsere Zukunft mehr oder weniger stark beeinflussen. Das beginnt schon am Morgen. Stehe ich auf oder bleibe ich liegen? Nehme ich mir Zeit für das Frühstück oder stehe ich so spät auf, dass nur noch Zeit für eine Tasse Kaffee ist? Beginne ich den Tag schon mit Hektik und Stress, weil ich mal wieder nicht aus den Federn gekommen bin?

Das setzt sich fort mit der Kleidung. Trage ich, was mir gefällt, oder ziehe ich an, was gerade Mode ist? Trage ich jenes Paar moderne Schuhe, in denen meine Füße sich vor Schmerzen krümmen, oder entscheide ich mich für weniger stylische, aber dafür bequeme Schuhe?

Trinke ich den mir angebotenen Schnaps, obwohl ich eigentlich keine scharfen Sachen mag? Esse ich, weil ich Hunger habe oder weil es gerade Essenszeit ist? Höre ich zu essen auf, wenn mir mein Körper signalisiert „Stopp. Ich bin satt“? Oder esse ich alles auf, weil man Nahrungsmittel nicht wegwerfen soll?

Treibe ich eine bestimmte Sportart, weil man einfach in diesem oder jenem Verein sein „muss“, weil es schick ist oder weil ich Spaß daran habe? Gehe ich auf Partys, weil diese angesagt sind, obwohl ich viel lieber etwas anderes tun würde? Du siehst, es läuft alles immer darauf hinaus: Was will ich? Was möchte ich gerne tun?

Je mehr wir uns von anderen Menschen oder eingebildeten Zwängen einschränken und bestimmen lassen und unseren eigenen Bedürfnissen zuwiderhandeln, umso unzufriedener werden wir mit der Zeit und umso mehr schaden wir uns.

Sei du selbst, denn nur du weißt, was gut für dich ist.

Selbstverwirklichung hat ihren Preis – ganz ohne Risiken finden wir kein selbstbestimmtes Leben

Wenn wir der inneren Stimme folgen, die auf Selbstverwirklichung drängt, dann gehen wir oft das Risiko ein, bei anderen auf Unverständnis und Kritik zu stoßen.

Ich habe folgende persönliche Erfahrung gemacht:

Während meines Berufslebens habe ich eine gut bezahlte Stelle aufgegeben, um – meiner inneren Stimme folgend – für sechs Monate in die USA zu gehen. Ich wollte dort studieren und mir Land und Leute anschauen. Meine Bekannten sagten: "Wie kann man nur so etwas Unvernünftiges tun? Wenn du zurückkommst, bekommst du keine Stelle mehr. Du sitzt dann auf der Straße." Ich habe es trotzdem getan und siehe da: Diese sechs Monate waren für mich die wertvollsten und persönlich wichtigsten Monate in meinem Leben. Ich habe dort so viel gelernt und erfahren, was ich in Deutschland nie hätte lernen können. Zurückgekehrt machte ich mich selbstständig und begann einen neuen Lebensabschnitt. Hätte ich damals auf all die ängstlichen Menschen gehört, die mir abzuraten versuchten, dann wäre ich heute wahrscheinlich nicht da, wo ich bin. Ganz sicherlich aber wäre ich heute nicht so zufrieden mit mir und meinem Leben. Ich würde vermutlich mein ganzes Leben der vertanen Chance nachtrauern. Ich wäre auf mich wütend, dass ich auf andere gehört hätte, und ich würde es denen übelnehmen, die mich davon abzuhalten versucht haben.

Selbstverwirklichung: Hürden mutig meistern und Ängste überwinden

Wir alle besitzen sehr oft das Wissen und die „Klugheit“, was für uns gut und richtig ist. Aus Angst aber vor den Reaktionen unserer Mitmenschen und aus Angst zu scheitern, handeln wir trotz besseren Wissens "unklug", d.h. wir entscheiden uns nicht für uns und das, was uns wichtig ist. Seinen Weg zu gehen, ist sicher nicht immer einfach. Da sind die Neider und Spötter, die uns nicht den Mut gönnen, etwas anders zu machen als sie selbst.

Dann ist da die eigene Angst, man könnte Schiffbruch erleiden und sein Ziel nicht erreichen. Aus eigener Erfahrung weiß ich jedoch, dass die Angst von Abenteuer zu Abenteuer geringer wird. Das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten wächst und damit auch der Mut. Mit zunehmendem Selbstvertrauen wächst auch das Vertrauen in sich, mit Fehlschlägen fertig zu werden.

Was können wir von selbstbestimmten Menschen lernen?

In Biografien erfolgreicher Menschen können wir immer wieder lesen, welche Niederlagen und Rückschläge diese Menschen in ihrem Leben haben einstecken müssen. Es war kein Glück oder Zufall, dass sie zu dem geworden sind, was sie sind. Sie haben hart dafür gearbeitet und sind oft gescheitert. Vor allem aber sind sie sich selbst treu geblieben. Sie ließen sich nicht durch Fehlschläge entmutigen. Sie haben nicht auf ihre Kritiker und Spötter gehört. In ihrem Inneren wussten sie: "Du kannst es. Du wirst es schaffen." Sie folgten ihrer inneren Stimme.

Das heißt nicht, dass sie sich ihrer Sache immer hundertprozentig sicher waren. Das heißt nicht, dass sie nicht auch manches Mal gezweifelt haben, ja verzweifelt waren. Das heißt nicht, dass sie frei von Angst waren.

Menschen, die ein erfülltes Leben führen, lassen sich nicht von ihren Ängsten abhalten.

Sie schenken Gedanken, die sie daran hindern wollen, das zu tun, was sie möchten, wenig Gehör. Sie gehen ein Risiko ein – auch wenn sie Angst haben. Menschen bereuen am Ende ihres Lebens am meisten, dass sie nicht den Mut hatten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und das zu tun, was sie für richtig und wichtig hielten.

Wenn wir ein erfülltes und befriedigendes Leben führen wollen, dann müssen wir unseren Bedürfnissen folgen und unsere Interessen gegen die der anderen verteidigen. Wenn wir nicht das tun, was wir für richtig halten, dann gehen wir vielleicht den leichteren Weg, aber am Ende steht auch fast immer eine große Unzufriedenheit.

Es ist unmöglich, Befriedigung und einen Sinn im Leben zu erfahren, wenn wir stets das tun, was andere von uns erwarten.

4 Schritte zu mehr Selbstverwirklichung

Noch einmal zusammengefasst: Wenn du diese vier Schritte beachtest, kannst du mehr Selbstverwirklichung und Selbstbestimmtheit erfahren und so mehr Glück, Zufriedenheit und Lebensfreude in dein Leben lassen.

Schritt 1:Nimm deine Bedürfnisse wahr.

Mach dir zunächst Gedanken über deine Bedürfnisse. Was möchtest du? Welche Ziele und Wünsche hast du? Wer möchtest du sein? Sei dabei ehrlich zu dir selbst und höre auf deine innere Stimme. Und mach dich nicht abhängig von den Meinungen anderer.

Schritt 2: Tue das, was du möchtest.

Im zweiten Schritt geht es an die Umsetzung deiner Ziele und Wünsche. Vielleicht wird das nicht immer ganz glatt laufen und du wirst auch mit Hindernissen und Hürden konfrontiert werden. Lass dann den Kopf nicht hängen, sondern glaube fest an dich.

Schritt 3:Bleib dir treu.

Auch wenn es in deinem Umfeld kritische Stimmen gibt, die dich von deinem Weg abbringen wollen – bleib auf deinem Weg. Das heißt nicht, dass du die Kritik ignorieren sollst. Höre sie dir an, reflektiere sie und entscheide dann, ob sie dich weiterbringt oder eher hindert, dein Leben selbstbestimmt zu führen.

Schritt 4:Habe Geduld mit dir.

Im Leben müssen wir immer auch mit Rückschlägen umgehen. Auch auf deinem Weg zur Selbstverwirklichung wird nicht immer alles so laufen, wie du es dir vorstellst. Lass dich nicht entmutigen und habe Geduld mit dir. Selbstverwirklichung ist ein langer Prozess, aber wenn du durchhältst, wirst du mit mehr innerer Zufriedenheit belohnt.

Durch Selbstverwirklichung zu einem erfüllten Leben

Wir haben nur ein Leben. Sollte dieses Leben nicht so sein, wie wir es uns wünschen?

Albert Schweitzer, Friedensnobelpreisträger und einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts, hat diese Frage stets mit Ja beantwortet – und immer ein Leben in Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit gelebt. Darin kann er uns bis heute ein Vorbild sein:

Ich will unter keinen Umständen ein Allerweltsmensch sein. Ich habe ein Recht darauf, aus dem Rahmen zu fallen - wenn ich es kann. Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten. Ich will kein ausgehaltener Bürger sein, gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für mich sorgt. Ich will dem Risiko begegnen, mich nach etwas sehnen und es verwirklichen, Schiffbruch erleiden und Erfolg haben. Ich lehne es ab, mir den eignen Antrieb mit einem Trinkgeld abkaufen zu lassen. Lieber will ich den Schwierigkeiten des Lebens entgegentreten, als ein gesichertes Dasein führen, lieber die gespannte Erregung des eigenen Erfolgs als die dumpfe Ruhe Utopiens. Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten hergeben noch meine Menschenwürde gegen milde Gaben. Ich habe gelernt, selbst für mich zu denken und zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen und zu bekennen: Dies ist mein Werk.

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Nicole schreibt am 28.07.2024

Ich möchte auf jeden Fall gerne wieder meinen eigenen Kopf mein eigenes Leben ich lebe in einem Wohnheim für psychisch Kranke obwohl ich so viele Sachen gut kann und es ist einfach die Hölle und ich müsste Hilfe haben man kann sich nicht vorstellen was ein Mensch erlebt ich habe das schon so oft versucht und ich bin jedes Mal gescheitert ich hatte auch gedacht ich würde nur meinen Partner finden oder Menschen aber es ist ich finde keine Worte ich heiße Nicole Vontz und komme aus Aachen und wenn ich gewusst hätte was das aus meinem Leben macht dass man mit wie ich jetzt 50 Jahren ist sich fühlt und verhält wie eine 13 40-Jährige weil man kein Leben mehr hat keine Liebe keine Beziehungen keine Menschen wo man sich mal frei fühlen kann wo man sich mal mit seinen Beschwerden öffnen wo man weiß man ist unter vernünftige normalen gesunden Menschen und die helfen einem wieder ins Leben zurück ohne etwas dafür zu erwarten man kann sich nicht vorstellen wie das ist in einem Wohnheim zu leben ich weiß nicht ob ich es überhaupt überlebe ich möchte keine Beziehung ich möchte nur jemand der mich hier wegholen


Sylvia schreibt am 01.11.2021

Die Beiträge von Dr. Rolf Merkle waren schon immer ein Gewinn und sind es auch heute noch nach seinem Tod.
Danke, dass dieser Beitrag aus dem Archiv geholt worden ist!


Gerda und Manfred schreibt am 31.10.2021

Weiter so!


Martin F. schreibt am 10.05.2021

Zu kurz gedacht. Die meisten Menschen können schnelles und langsames Denken nicht unterscheiden. Bei dem Wunsch, das zu machen, was man möchte, siegt in der Regel das schnelle Denken. Das ist in Bildsprache immer das "Teufelchen". Wie hört man also auf sein "Engelchen"?

Alexandra schreibt am 31.10.2021

Ich bin jetzt im fünften Jahr dabei und habe sehr oft die Erfahrung gemacht, daß in akuten Krisen oder auch nur Momenten kein Therapeut, Arzt ... erreichbar ist. Nach 5 Jahren schwere Depression haben sie auch keine Freunde mehr. Der Pal Verlag erinnert mich jede Woche daran, daß ich nochmal hilfreiche Dinge nachlesen kann, oder eben auch nicht. Über viele Wochen schaue ich auch schon mal gar nicht rein und lösche einfach die Erinnerung. Doch dann in schweren Zeiten bin ich froh, daß eine oder andere nochmal nachlesen zu können und den kleinen Schubs zu bekommen, mal wieder nachzulesen, was mir helfen könnte und gerade wichtig ist. Diese Hilfe ist total unaufdringlich und immer ohne nervige Werbung. Ich habe auch die meisten Bücher, wobei ich in akuten Krisen nicht wirklich darauf zurückgreifen kann. Ich bin wirklich froh über diese Quelle und werde sie sicherlich bis zum Ende meines Lebens nicht mehr missen wollen. Vielen lieben Dank.


Rita schreibt am 16.10.2020

Der Beitrag hat mir echt sehr dabei geholfen mich selbst zu reflektieren.^^ Bzw. noch kürzer gesagt: Guter Beitrag! :3


Inhalt des Beitrags   
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