Durch die Krise begleiten – Podcast #61

Wie kannst du Angehörigen und Freunden in einer seelischen Ausnahmesituation deine Unterstützung geben und dabei innerlich stabil bleiben? In dieser Folge des Podcasts "Wecke deine Lebensfreude" zeigt Maja Günther Strategien und Hilfestellungen.

Durch die Krise begleiten – Podcast #61
© PAL Verlag, unter Verwendung eines Fotos von unsplash.com

In dieser Podcastfolge geht es um Angehörige von Menschen, die sich in Krisen befinden. Es geht darum, was Freunde, Bekannte, Verwandte für sich tun können, um sich zu stabilisieren und zu stärken. Und auch, was sie in der Begleitung einer Krise für andere tun können.

Krisen haben eine Sogwirkung auf das Umfeld der Betroffenen

Hattest du schon einmal eine Krise und hast gemerkt, dass dir nur ganz wenige Menschen wirklich eine Unterstützung waren? Oder hattest du das Gefühl, dass du auf dich zurückgeworfen warst und keiner dir wirklich helfen konnte? Vielleicht hast du erlebt, dass jemand aus deinem nahen Umfeld in einer Krise war, und du warst unsicher, wie du helfen konntest?

Manchmal ist das, von dem wir meinen, dass es dem anderen helfen könnte, eben nicht das, was derjenige braucht. Wir bekommen dann Reaktionen, die uns verletzen und mit denen wir nicht umgehen können.

Es gibt einige Hilfestellungen und Tipps für Menschen, die sich selbst in einer Krise befinden. Es gibt jedoch wenige Hinweise und praktische Unterstützung für Angehörige von Menschen in Krisen. Weil das Thema aber Beziehungen schwer belasten und auch zerstören kann, ist es lohnenswert, sich damit eingehend zu beschäftigen. Das hat mich dazu bewogen, ein Buch darüber zu schreiben.

Wer befindet sich in welcher Krisenphase?

Egal, in welchem Verhältnis wir zu demjenigen stehen, der sich in der Krise befindet, entsteht am Anfang in den meisten Fällen eine Schieflage. Eine Krise löst nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch in deren Umfeld einen klassischen Verlauf an Reaktionen aus. Zu Beginn stehen wir unter Schock. Das kann beispielsweise die Diagnose einer Krankheit, eine Trennung oder ein Umzug sein. Es handelt sich um den Krisenauslöser. Dann kommt eine Phase der Ablehnung oder Verneinung. Das ist die Zeit, in der wir denken: Das kann nicht sein, dass mir oder dem mir nahestehenden Menschen das passiert. Das kann nicht wahr sein. Es folgt das tiefe Tal, durch das wir durchmüssen und irgendwann erkennen wir, dass wir die Krise annehmen müssen, damit wir unseren Blick wieder nach vorne richten können. Dann geht es in der Regel wieder bergauf. Jede Krise hat ein Ende.

In der Begleitung von Angehörigen entsteht häufig das Problem, dass nicht beide gleichzeitig den Krisenprozess durchlaufen. Die Betroffenen sind beispielsweise schon bei der Akzeptanz, während die Angehörigen noch in der Ablehnung stecken. Oder umgekehrt. Es können von beiden Seiten Erwartungen an den anderen gestellt werden, die nicht erfüllt werden können.

Ich hatte ein Paar in der Beratung, bei dem der Mann eine Demenzdiagnose gestellt bekam und die Krankheit schon spürbar war. Er hatte die Krankheit akzeptiert und wollte sich das Leben, so lange wie möglich, schön machen. Die Frau hingegen wollte und konnte die Krankheit ihres Mannes lange Zeit nicht wahrhaben. Sie forderte immer wieder Dinge von ihm, die er nicht mehr in der Lage war zu tun. Sie war wütend und es kam ständig zu Streit und Auseinandersetzungen, weil sie nicht sehen wollte, dass er vieles nicht mehr verstand. Umgekehrt habe ich ein Paar kennengelernt, bei dem sie eine Krebsdiagnose bekam, die sie selbst lange Zeit nicht akzeptieren konnte. Der Partner hat alle möglichen Therapien und Behandlungsmöglichkeiten recherchiert und konnte nicht verstehen, warum sie zu diesem Zeitpunkt diese Behandlungen ablehnte. Er nahm ihr Verhalten persönlich und war überzeugt, sie würde ihn nicht genug lieben, um am Leben bleiben zu wollen.

3 Schritte einer guten Krisenbegleitung

Schritt 1 Akzeptiere, dass jeder unterschiedlich mit einer Krise umgeht.

Der erste Schritt, den du tun kannst, wenn sich jemand in deiner Umgebung in einer Krise befindet, ist, zu akzeptieren, dass jeder Mensch ganz unterschiedlich damit umgeht und vielleicht etwas anderes braucht, als du denkst, das er braucht. Versuche, den anderen unabhängig von deinen eigenen Gefühlen und deiner Meinung zu sehen und ihm zuzuhören. Nimm ernst, was er sagt. Das klingt so einfach, ist aber in einer Ausnahmesituation oft sehr schwer. Es ist eine Gradwanderung, dem anderen die eigene Meinung mitzuteilen, ihn aber nicht in eine Richtung zu drängen. Jeder ist sein eigener Spezialist und weiß für sich selbst am besten, was er braucht. Dennoch ist es hilfreich, sich gesehen, gehört und verstanden zu fühlen.

Schritt 2 Versuche mit dem anderen auf Augenhöhe zu sein.

Das bedeutet, denjenigen nicht zu bemitleiden, denn dann ist er immer in der Position des Armen und Schwachen. Das macht ihn klein und hilflos. Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl. Wenn du dem anderen sein Schicksal zutraust und ihm zumutest, damit zu leben, kannst du zwar mit ihm fühlen, du übernimmst aber nicht die Verantwortung für ihn. So kann der Betroffene frei entscheiden, wie er durch seine Krise geht und du kannst ihn unterstützen, indem du mitfühlst. Auch hier ist der Grat schmal, denn Betroffene sind je nach Art der Krise manchmal automatisch auf Hilfe angewiesen und damit in manchen Situationen abhängig. Je mehr Eigenverantwortung und Freiheit der Betroffene dennoch behält, desto besser kann er mit der Abhängigkeit umgehen.

Schritt 3 Sorge für dich selbst.

Im dritten Schritt geht es um die Selbstfürsorge. Vielleicht kennst du das auch, dass du jemanden durch eine Krise begleitest und Außenstehende erkundigen sich nur noch nach dem Befinden des Betroffenen. Du scheinst unsichtbar zu werden mit deinen Bedürfnissen, deinem Schmerz und deiner Situation. Oder du opferst dich auf in der Bemühung, dem Betroffenen alles abzunehmen und es ihm so leicht wie möglich zu machen. Du merkst, dass die Zeit dich viel Kraft kostet und du siehst keine Möglichkeit, dich zu regenerieren. In der Begleitung eines Angehörigen ist das A und O, selbst stabil zu bleiben. Du kannst anderen überhaupt nur helfen, wenn du wie ein Fels in der Brandung bist. Es ist unumgänglich, sich um sich selbst zu kümmern, auch wenn das noch schwieriger scheint als sonst. Hier haben wir noch eine Gratwanderung zwischen dem Sog, dem Betroffenen alle Bedürfnisse zu erfüllen, und der Notwendigkeit, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern.

Es geht also nicht darum, wem es objektiv gesehen zum jetzigen Zeitpunkt schlechter geht, sondern darum, jedem seine Verantwortung für sich selbst zu überlassen. Insbesondere als Angehöriger eines Betroffenen bist du die oder der Einzige, der sich um dich kümmern kann. Sorge unbedingt für deine Stabilität an erster Stelle. Frage dich, wie es dir gerade körperlich und seelisch geht. Hole dir selbst Unterstützung. Sorge für ausreichend Schlaf, gutes Essen und Pausen. Nimm Menschen zu Hilfe, die dich unterstützen können. Wenn du als Fels in der Brandung wegbrichst, kannst du keinen mehr unterstützen. Im Gegenteil muss sich dann der Betroffene selbst noch um dich sorgen.

Das Leben geht weiter

Auch wenn es eine der größten Herausforderungen ist, andere Menschen in einer Krise zu wissen, sie leiden zu sehen, sie beim Kämpfen zu erleben und manchmal sogar beim Sterben zu begleiten, können wir ihnen ihr Schicksal nicht abnehmen. Und dennoch geht das Leben weiter. Auch in und mit Krisen gibt es schöne Momente. Es gibt Zeiten für Glück und Freude, genauso wie es Schmerz und Leid gibt. Mach das Schicksal nicht zu deinem, sondern bleibe stark und lebe mit dem Betroffenen. Erlebe die Zeit, die alle Gefühle und alle Zustände mit sich bringt. Wenn es dir gelingt, bei dir selbst zu bleiben und dich nicht mit dem anderen oder dessen Krise zu identifizieren, könnt ihr alles durch- und überstehen.

Am Ende steht ein Neubeginn

Jede Krise bringt Veränderung und immer steht am Ende ein Neubeginn. Und es gibt Gefühle und Momente, die außergewöhnlich sind. Denn Menschen in Krisen und in der Begleitung von Krisen werden auf sich zurückgeworfen und sind somit nah an sich dran. Das sind die kleinen Geschenke des Lebens. Nimm sie dir. Du hast sie dir verdient!

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Maja Günther

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