Ohne Selbstverantwortung machen wir uns zum Opfer der Umstände oder anderer Menschen. Dennoch tun wir uns schwer damit. Warum ist das so? Dieser Beitrag gibt dir wertvolle Hinweise und Anregungen.
In einem Fragebogen, den ich allen meinen Patienten gebe, steht die Frage: „Was ist der Nachteil beim Erwachsenwerden?“
Viele antworten darauf: "Der Nachteil ist, dass man für sich die Verantwortung übernehmen muss." Die meisten Menschen erleben es als belastend und anstrengend, für sich und ihr Leben die Verantwortung übernehmen zu müssen und für sich zu sorgen. Viele wären gern immer noch das kleine Mädchen oder der kleine Junge, für den andere entscheiden und um die sich andere kümmern. Von ihnen würde dann nichts erwartet werden, selbst nicht, wenn etwas schief ginge, und andere würden dann, wie früher die Eltern, ihre Fehler ausbügeln oder dafür geradestehen, sie in den Arm nehmen und sie trösten.
Oft hängt die Sehnsucht danach, von der Verantwortung befreit zu werden und keine Erwartungen erfüllen zu müssen, mit prägenden negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit zusammen. Etwa, dass Kinder zu Ausreden oder Notlügen greifen mussten, um in einer heiklen Situation ungeschoren davonzukommen. Sind sie bei der Wahrheit geblieben und haben sie beispielsweise zugegeben, dass sie die Scheibe eingeworfen oder den Teller zerbrochen haben, mussten sie sich einen Vortrag über ihre Unvernunft und Ungeschicktheit anhören und in irgendeiner Weise für den Schaden geradestehen, sie werden dafür mit Einschränkungen und Verboten bestraft. Von wegen trösten und in den Arm nehmen! Das Problem dabei sind nicht die Bestrafungen an sich, sondern dass sie für ihre Ehrlichkeit bestraft werden. Dazu kommt, dass ihnen kein Verständnis für ihre Fehler und Entgleisungen erfuhren und sich eben niemand um sie gekümmert hat.
Aus psychologischer Sicht können diese negativen Erfahrungen dazu führen, dass sie sich angewöhnen, die objektive Wirklichkeit so zu verändern, dass sie selbst keine Schuld an den Ereignissen trifft. Warum? Weil das der einzige für sie erkennbare Weg ist, sich selbst zu schützen und für sich zu sorgen. Sie erfinden dazu ein sogenanntes Narrativ, eine glaubwürdige Erzählung, in der sie anderen die Schuld und die Verantwortung für ihre missliche Lage, ihre Fehler oder ihr Versagen geben. Dabei werden sie sehr erfinderisch, besonders, wenn es darum geht, höhergestellte Personen wie Erwachsene von ihrer Unschuld zu überzeugen. Dazu kommt, dass viele Eltern, ja überhaupt die meisten Erwachsenen es den Kindern vormachen, wie man sich mit Narrativen durchs Leben mogelt. So erleben Kinder beispielsweise, wie die Eltern beim Besuch bei den Verwandten zum Onkel oder der Tante sehr freundlich und nett waren, zuhause aber über sie herzogen. Oder sie hören, wie die Eltern am Telefon eine Einladung mit der Begründung absagen, sie hätten ausgerechnet an diesem Tag schon etwas anderes vor. Sie würden ja gerne kommen, aber leider sei das nicht möglich. Das nächste Mal, hoffen sie, kommen zu können. Kaum legen sie den Hörer auf, sagen sie: „Bei denen ist es immer so langweilig. Und überhaupt. Mit denen kann man sich ja nicht vernünftig unterhalten.“
Von der Kindheit bis ins Erwachsenenleben lernen viele Menschen also, nach außen eine Fassade aufzubauen und aus ihrem Herzen eine sprichwörtliche Mördergrube zu machen, keine Verantwortung zu übernehmen, anderen die Schuld für eigene Fehler und Schwächen zu geben – kurzum: zu lügen, unehrlich zu sein und zu manipulieren.
Immer die Wahrheit sagen oder doch gelegentlich zu Notlügen greifen? Lies hierzu auch den Beitrag: Notlügen sind wichtig
Wir können unsere Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf unser Leben nicht ungeschehen machen. Wir können jedoch unserem zukünftigen Leben eine neue Richtung geben.
Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass wir die Verantwortung unsere Probleme übernehmen und Sorge für unser Leben tragen und uns nicht als als Opfer sehen von anderen, der Vergangenheit, der Umstände oder des Schicksals. Wenn du das tun willst, dann mach dir bewusst, wir alle haben jederzeit die Macht zu sagen:
So bin ich heute, so werde ich morgen sein.
Warum Selbstverantwortung wichtig ist
Ertappst du dich auch, schnell bei der Hand zu sein, wenn es darum geht, andere für deine Schwierigkeiten und Probleme verantwortlich zu machen? Damit bist du nicht allein. Mal geht die Partnerin oder der Partner auf den Wecker, dann sind es die Kinder, der Arbeitskollege oder die Chefin. Sie alle machen einem das Leben schwer. Und natürlich sind als Sündenböcke für das eigene Schicksal die Eltern oder die schlechte Kindheit belibet, das Erbe bzw. das entgangene oder die allgemeine wirtschaftliche Lage. Selbst der liebe Gott bleibt da nicht verschont.
Das Paradoxe an diesem Verhalten ist: Wenn beispielsweise den Eltern vorgeworfen wird, sie seien die eigentlich Schuldigen an ihren Probleme und dafür, dass man im Leben auf der Verliererseite stehen würde. Dann wird es gleichermaßen damit begründet, dass die Eltern in der Erziehung zu streng oder zu nachgiebig gewesen wären. Dass sie nie ein gutes Wort für sie übrig gehabt und sich nicht genügend um sie gekümmert hätten oder sie überbehütet und sich nicht frei entfalten lassen hätten. Dann wird das Unglücklichsein gleichermaßen darauf zurückgeführt, ein Einzelkind gewesen zu sein sind wie das Jüngste von 5 Kindern oder überhaupt keine richtigen Eltern gehabt zu haben. Merkst du etwas? Hier geht es nicht um die Eltern, ebenso wenig wie um alle anderen äußeren Umstände. Hier geht es um die subjektive Bewertung davon und von uns selbst.
Wenn wir solche und viele andere Entschuldigungen gebrauchen und keine Eigenverantwortung und Fürsorge für unser Leben und unsere momentane Situation übernehmen, dann fühlen wir uns immer ausgeliefert und nie in unserem Leben zuhause. Wir glauben dann etwa, dass wir unserer Vergangenheit nicht entrinnen können und deshalb dazu verurteilt sind, ein unglückliches Leben zu führen. Das stimmt aber nicht. Wir sind nicht hilflos an unsere Vergangenheit oder einem anderen Umstand gekettet. Zwar können wir keine ihrer Auswirkungen auf unser Leben ungeschehen machen. Wir können jedoch unserem Leben in jedem Moment eine neue Richtung geben und damit unsere Zukunft neu gestalten – ab jetzt!
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Die Beispiele für fehlende Selbstverantwortung sind wertvoll. Die Tatsache, dass sich viele Menschen als Opfer wahrnehmen ist sehr aussagekräftig. Es erinnert uns daran, dass eine proaktive Haltung entscheidend ist.
Liebe Grüße
Julia und Steffen
von FIDERTAS Awareness