Keine Selbstzweifel ohne Vergleich – Podcast #96

Was tun, wenn die Selbstzweifel zu ständigen Begleitern werden und uns hindern, ein selbstwirksames Leben zu führen? In dieser Folge des Podcasts "Wecke deine Lebensfreude" mit der Coach Maja Günther und der Psychologin Claudia Morgenstern erhältst du hilfreiche Tipps. 

Keine Selbstzweifel ohne Vergleich – Podcast #96
© PAL Verlag unter Verwendung eines Fotomotivs von unsplash.com

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Podcasts "Wecke deine Lebensfreude". Dieses Mal sprechen wir über unsere Selbstzweifel und wie wir sie überwinden können. Wir erzählen anschauliche Fallbeispiele aus unserer therapeutischen Praxisarbeit, zeigen psychologisch-fundierte Selbsthilfestrategien gegen Selbstzweifel und geben dir konkrete Hilfestellungen und Tipps, um dich so anzunehmen, wie du bist, und als "Maß deiner Dinge" Schritt für Schritt mehr Selbstvertrauen aufzubauen.

Themen dieser Podcastfolge

  • Warum Selbstzweifel bei einem selbst anfangen, aber immer auch etwas mit anderen zu tun haben
  • Warum wir andere Menschen nur aus der Schlüsselloch-Perspektive sehen
  • Wie wir unsere inneren Kritiker entlarven und den Blick auf das Ganze richten können
  • Wie Selbstzweifel zur treibenden Kraft werden können
  • Wie wir Selbstzweifel überwinden, indem wir unsere Fehler annehmen
  • Warum “man” nicht dabei hilft, Selbstzweifel abzulegen
  • Was gegen Selbstzweifel hilft

Im Folgenden kannst du den Text unseres Gesprächs nachlesen. Die meisten Passagen werden nicht wortwörtlich wiedergegeben, sondern sind für den besseren Lesefluss sinngemäß überarbeitet.

Selbstzweifel fangen bei einem selbst an, aber haben immer etwas mit anderen zu tun

Claudia Morgenstern: Selbstzweifel sind ein großes Thema. Wir alle haben schon einmal an uns gezweifelt. Wir kennen das Thema aber auch von den Klientinnen und Klienten, von den Patientinnen und Patienten. Wenn wir uns das Wort “Selbstzweifel” anschauen, dann steckt da zunächst das Wort “selbst” drin. Also sind Selbstzweifel auf uns selbst bezogen. Es steckt auch der "Zweifel" drin und auch das Wort "zwei", wenn wir so wollen. Das bedeutet, dass es auch immer ein Gegenüber braucht, damit wir in Zweifel kommen. Dann vergleichen wir uns.

Maja Günther: Ja, stellen wir uns einmal vor, wir würden alleine auf einer einsamen Insel leben und dort wäre überhaupt niemand. Würden wir dann an unseren Handlungen zweifeln? Vermutlich geht es in dieser Situation ums Überleben und dann funktionieren wir halt einfach und tun das, was zu tun ist, nämlich uns ums Essen zu kümmern und einen trockenen Schlafplatz zu suchen und was wir halt sonst noch so machen müssen. 

Claudia Morgenstern: Wir würden uns vielleicht ärgern, wenn etwas nicht klappt oder wir nicht wissen, wie etwas funktioniert. Dann stehen andere Gefühle im Vordergrund, aber nicht der Selbstzweifel, der uns ja auch immer wieder auf uns selbst zurückwirft, mit Fragen wie: Bin ich gut genug? Gehöre ich dazu? 

Maja Günther: Dabei spielen auch Bewertungen eine große Rolle: Wie sehen mich andere? Wie finden andere das, was ich so mache? Wie komme ich an? Werde ich akzeptiert oder werde ich ausgeschlossen? Alle diese Vergleiche sind etwas schief, denn ich sehe ja immer nur einen Teil von der oder dem anderen. Und dazu kommt der Geschmack: Was wem gefällt, darüber gibt es ja keinen Konsens. Und überhaupt: Wer ist denn das Maß der Dinge? Wer entscheidet darüber, was richtig oder was gut ist? Und wer entscheidet darüber, was nicht so gut ankommt oder was nicht so schön ist? In dem Moment, wenn wir das, was wir an anderen Personen sehen, nicht bewerten, können wir uns beide nebeneinander stellen. Und dann können wir sagen: "Ich bin für mich das Maß der Dinge. Was habe ich eigentlich für Qualitäten?"

Die Schlüsselloch-Perspektive

Claudia Morgenstern: Die andere Person, mit der ich mich vergleiche, ist übrigens auch nicht perfekt. Auch sie hat Stärken und Schwächen und ich sehe von ihr immer nur einen Ausschnitt. Nehmen wir mal an, ich zweifle als Mutter daran, dass ich das mit der Kindererziehung gut mache, und begegne immer einer anderen Mutter, die sehr gelassen mit ihren Kindern umgeht. Dann sehe ich sie nur durch ein Schlüsselloch und die Alltagssituationen, in denen auch sie mal ungeduldig ist, fallen mir nicht auf. Stattdessen denke ich mir: Warum habe ich nicht ihre Geduld?

Maja Günther: Ja, genau, das ist das Problem mit der Schlüsselloch-Perspektive. Und dazu kommt noch eine zeitliche Komponente: Auch das, was ich vorher mit meinem Kind erlebt habe, beeinflusst jetzt mein Verhalten. Es kann sein, dass ich gestresst war oder zig Mal getriezt wurde von meinem Kind. Und es kann sein, dass die andere Mutter vorher eine tiefenentspannte Zeit mit ihrem Kind erlebt hat. Daher ist sie in der jetzigen Situation immer noch entspannt, während bei mir das Maß längst voll ist.

Wie du deine inneren Kritiker entlarvst und den Blick auf das Ganze richtest

Claudia Morgenstern: Wenn ich merke, dass anderen auch Fehler passieren, dann bin ich oft schon viel entspannter. Denn Fehler machen uns ja alle menschlich. Nichts ist perfekt und das ist auch gut so! Wir können uns selbst zugestehen: Gut ist gut genug. 

Maja Günther: Ich möchte das schöne Beispiel mit der Kindererziehung fortführen, denn wir tragen nicht nur für uns selbst Verantwortung, als Mutter oder Eltern stabil zu bleiben, sondern haben ja auch die Verantwortung für das Kind. Dieser doppelte Anspruch macht unsere Aufgabe und unsere Elternrolle besonders komplex. Daher sollten wir uns die Frage stellen: "Was haben wir denn für einen Anspruch an uns selbst?" Und ist es nicht dann auch ausreichend, ausreichend gut zu sein?

Claudia Morgenstern: Und wann melden sich meine inneren Kritiker zu Wort und was sagen sie gerade zu mir? Denn dann kann ich sie entlarven, indem ich herausfinde, welche Ansprüche sie erfüllt haben wollen. Und dann kann ich fragen: “Wo steht das geschrieben, dass es so sein muss?”

Maja Günther: Zum Beispiel, dass ich immer gelassen sein muss als Mutter. Auch ich kann mir mal erlauben, gestresst oder genervt zu sein. Das ist okay. Es werden alle Eltern leichtere und schwierigere Momente in der Kindererziehung erleben. 

Claudia Morgenstern: Ich habe neulich ein Buch gelesen von dem buddhistischen Mönch Ajahn Brahm, mit Geschichten, die zum Nachdenken anregen. In einer dieser Geschichten beschreibt er, wie er mühsam eine tragende Mauer für ein Gebäude aufbaut, und dass er sich alles Handwerkszeug dazu autodidaktisch beibringen muss. Am Ende steht ein Stein schief in der Mauer. Seine Aufmerksamkeit wird nun immer auf diesen einen Stein gezogen, der nicht richtig eingemauert ist. Und es stört ihn. Erst viel später erkennt er, dass alle anderen Steine richtig gemauert sind und die Mauer hält.

Selbstzweifel können zur treibenden Kraft werden

Maja Günther: In den Coachings erzählen mir Klientinnen und Klienten oft von ihren großen Selbstzweifel, gerade wenn sie neu in den Beruf einsteigen. Dabei geht es auch um die Frage: “Ist es überhaupt okay, dass ich hier dabei bin mit allen meinen Selbstzweifeln? Ich habe neu angefangen, ich habe keine Arbeitserfahrung und bin wahrscheinlich noch nicht wirklich hilfreich für die Firma. Andererseits: Was bringt es, mich zu vergleichen mit Menschen, die schon zehn Jahre im Unternehmen arbeiten?”

Claudia Morgenstern: Der Selbstzweifel, wenn er uns nicht lähmt, kann auch eine treibende Kraft sein. Er kann mich dazu motivieren, mich auf andere Art in ein Thema einzuarbeiten oder mir bestimmte Fähigkeiten anzueignen, um neue Erfahrungen zu sammeln und mehr Routine zu entwickeln. 
Das bedeutet, dass ich mich positiv um meinen Selbstzweifel kümmere und mich frage: “Was fehlt mir, um mich sicher zu fühlen?” Vielleicht hilft mir dann auch ein Feedback von einer Kollegin, um zu erkennen, was ich brauche, um den Selbstzweifel zu überwinden. Und auch, um zu spüren, dass jemand Vertrauen in mich setzt.

Maja Günther: Das muss ich aber auch aushalten können. Wenn ich an mir zweifle und jemand Vertrauen in mich steckt, dann kann das auch erst einmal mehr Druck auslösen, weil ich mich dann erst recht behaupten und auch zeigen will, dass ich was drauf habe. 

Du kannst Selbstzweifel überwinden, wenn du deine Fehler annimmst

Maja Günther: Der erste Schritt, unsere Selbstzweifel zu überwinden, ist daher, den Anspruch abzulegen, alles zu können und alles zu wissen. Und natürlich ist auch die Jobbeschreibung, für die wir eingestellt wurden, viel perfekter als unsere Fähigkeiten. Wir alle machen uns ein wenig größer und ein bisschen schlauer, wenn wir uns bewerben. Das heißt aber nicht, dass wir keine Fehler machen dürfen im Alltag und dass wir bestimmte Dinge nicht erstmal lernen und erfahren müssen. Es geht darum, dass wir uns auf uns selbst konzentrieren und nicht von den Erwartungen ablenken lassen. 

Claudia Morgenstern: Selbstzweifel haben aber nicht nur Berufseinsteiger:innen, das kennen wir ja auch als erfahrene Berufstätige. Auch ich komme manchmal in Situationen, in denen ich denke: "Das müsste ich jetzt aber eigentlich wissen als alter Hase." Aber gerade dann kann und muss ich mir auch die Freiheit nehmen und sagen: "Jetzt muss ich mich nochmal schlau machen."

Maja Günther: Ich glaube, das kommt ja auch immer wieder. Egal, was wir tun, wir werden immer wieder an uns zweifeln. Und dann ist die erste Übung, mir zu sagen: "Ich achte jetzt nicht auf die anderen, die das schon können und die das gut machen, sondern ich schaue jetzt auf mich." Und im zweiten Schritt schaue ich auf meine Ressourcen, auf das, was ich gut kann, was mir bisher schon gelungen ist. Oder ich überlege mir, wie ich das letzte Mal eine ähnliche Situation gemeistert habe. Denn damals habe ich die Hürde ja schon überwunden. Was hat mir denn damals geholfen, diese Situation zu meistern und mehr Selbstvertrauen zu kriegen in dem Moment? 

Claudia Morgenstern: In dem Augenblick, in dem ich das tue, bleibe ich im Vergleich bei mir und meiner eigenen Geschichte. Also ich vergleiche mich und frage: "Wie war ich an einem anderen Punkt meines Lebens? Was hat mir geholfen?" Das ist der faire Vergleich, weil ich mich auf meiner eigenen Achse sehe, in meinem Prozess. 

Maja Günther: Das ist eigentlich der realistischere Vergleich als der mit anderen. Und das führt uns wieder zur Frage: "Wer ist denn das Maß der Dinge? – Ich bin das Maß aller Dinge, weil ich mich selbst zum Maß nehme. Ich forsche danach, wie ich das geschafft habe und welche Fortschritte ich gemacht habe."

Warum “man” nicht dabei hilft, Selbstzweifel abzulegen

Maja Günther: Immer, wenn es darum geht, dass wir uns in einer sozialen Gruppe oder in der Familie schlechter oder kleiner fühlen, dann schwebt ein unausgesprochenes "man" im Raum: "Man" macht das hier so. "Man" muss in dieser Gruppe dieses und jenes können oder haben. Wer seine Selbstzweifel ablegen will, der sollte sich davon lösen und sich sagen, hinter diesem "man" stecken auch nur Menschen wie ich und du, die alle irgendwo ihre Schwächen und irgendwo ihre Stärken haben. Warum also soll dieses "man" mehr zählen als meine Erfahrungen, die ich gemacht habe? Das zu erkennen, ist ein riesengroßer Schritt weg von den Selbstzweifeln.

Claudia Morgenstern: Ja, das stimmt. Und wir selber spüren ja auch die Wirkung. Also ich bin auch entspannter, wenn ich merke, hier ist nicht alles und jede:r so perfekt. Dann kann ich mehr Mensch sein.

Was noch gegen Selbstzweifel hilft

Maja Günther: Ein weiterer Weg gegen Selbstzweifel kann sein, dass ich mich auf das Positive und meine Erfolge konzentriere, anstatt immer in die alten Muster und in das alte Verhalten zu verfallen. Das lässt sich üben in so ganz kleinen Dingen, indem ich mich zum Beispiel mal raus wage und bewusst mit anderen in Kontakt trete. Vielleicht mit dem inneren Spruch: "Ich bin gut, so wie ich bin." Oder: "Ich bin ausreichend, so wie ich bin."

Claudia Morgenstern: Und wenn ich Selbstzweifel habe, ob ich interessant genug für andere bin, dann kann ich auch erst einmal die Rolle der Zuhörerin oder des Zuhörers annehmen. Gut zuhören können auch nur ganz wenige Menschen. Wenn ich also erst einmal die andere Person erzählen lasse, bekomme ich irgendwann die Chance, auch selbst etwas zu erzählen. So entsteht durch mein anfängliches Zuhören ein Dialog. Auch hier kann ich mit stärkenden Affirmationen arbeiten. 

Maja Günther: Das ist eine Arbeit, die ich auch schon im Vorfeld machen kann: Mich in einer ruhigen Minute hinsetzen und wirklich auf die Suche nach diesen Affirmationen gehen, damit ich sie später parat habe, um meine Selbstzweifel zu überwinden. 

Wir wünschen euch ganz viel Freude dabei, euch mit euren Selbstzweifeln auseinanderzusetzen. Es ist vielleicht kein gemütliches Thema, aber das heißt nicht, dass es eine schlechte Zeit ist oder dass es zwangsläufig nur Schlechtes mit sich bringt. Ich hoffe, ihr könnt euch auch motivieren lassen und findet ganz viele Momente, in denen ihr Selbstvertrauen üben könnt und eure Selbstzweifel überwindet. 

Claudia Morgenstern: Danke fürs Zuhören. 

Deine 

Maja Günther und Claudia Morgenstern

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