Einen Zahnarzttermin ausmachen, ein Geburtstagsgeschenk für die Schwägerin besorgen – oft bleiben die unsichtbaren To-dos des Familienalltags an den Frauen hängen und viele leiden unter dem Mental Load. Der Beitrag zeigt, wie du den Mental Load reduzieren kannst.
Der Familienalltag ist oft hektisch und basiert zu einem großen Teil auf guter Organisation: Aufgaben müssen verteilt, Termine gehalten und Bedürfnisse berücksichtigt werden. Die Koordination des Ganzen obliegt in den meisten Familien den Frauen. Für sie kann das zu einer großen psychischen Belastung werden.
Das Klopapier ist alle, die Katze muss zum Tierarzt und für das Sommerfest in Omis Altenheim sollte noch ein Kuchen gebacken werden – am besten zuckerreduziert und bitte kein Schokokuchen. Im Wohnzimmer wartet der Wäscheberg und das Lieblingshemd des Gatten sollte auch noch fix gebügelt werden, denn er braucht es für eine Geburtstagsparty am Wochenende. Gibt es da eigentlich schon ein Geschenk und wenn nein, was könnte man schenken? Diese wilde Gedankenkette dürfte den meisten Frauen mit Partnerschaft oder Familie bekannt vorkommen – sie heißt Mental Load.
Der Begriff Mental Load meint all die unsichtbaren To-dos, die vor allem Frauen täglich im Rahmen der Sorgearbeit erledigen. Allein zum Themenbereich „Einkaufen“ gehört eine Vielzahl von Schritten, die nicht nur ausgeführt, sondern auch geplant werden wollen: Einkaufszettel schreiben, dabei die Mahlzeiten für die nächsten Tage planen – dabei wiederum die Vorlieben und Abneigungen sowie Pläne aller Haushaltsmitglieder im Kopf haben. Außerdem den Inhalt des Vorratsschrankes berücksichtigen, um nichts doppelt zu kaufen. Den Einkaufszettel im Supermarkt nicht nur abarbeiten, sondern auch das aktuelle Haushaltsbudget im Kopf behalten. Die Einkäufe verräumen.
Schon beim vorherigen Durchdenken könnte einem der Kopf schwirren – für die meisten Frauen ist das aber Alltag. Denn die Organisation, Planung und Verwaltung des Privatlebens ist in unserer Gesellschaft immer noch nicht gleichmäßig verteilt. Größtenteils sind es die Frauen, die sich darum kümmern, während sich Männer in der Koordination des Privatlebens oft noch weitestgehend zurückhalten – egal, ob es um Kinderbetreuung, Haushaltsorganisation, Familienorganisation, Beziehungsarbeit oder den großen Bereich Selbstfürsorge geht. Einkaufen, kochen, reinigen, Artztbesuche, Spieltermine, Geburtstagsfeiern, Versicherungen, Finanzen, Urlaubskoordination – all das sind Verantwortlichkeiten, die in den meisten Familien ganz automatisch einer Person zugeteilt werden. Ähnlich sieht es aus, wenn der Alltag einmal nicht ganz so rund läuft, etwa wenn Kinder krank sind oder Angehörige gepflegt werden müssen. Auch hier müssen sich meist die Mütter Lösungen überlegen.
Hast du dir als Frau in Sachen Haushalt und Kinderbetreuung auch schon oft gedacht: „Es ist einfach zu viel“? Das liegt nicht daran, dass du unfähig bist – sondern daran, dass es wirklich zu viel ist. In unserer Gesellschaft sind es meist Frauen, die eine Familie managen. Sie denken für alle mit. Während Frauen mit zusätzlichen, oft stressigen Verpflichtungen konfrontiert sind, tragen Männer in traditionellen Geschlechterrollen oft wenig dazu bei – das ist ungerecht und benachteiligt Frauen.
Das bisschen Haushalt … musst du nicht allein machen.
Für sie wird es daher schwieriger, für eine gute Work-Life-Balance zu sorgen – Feierabend nach dem Ende der Erwerbsarbeit gibt es nicht, da jetzt private Dinge organisiert werden müssen. Freie Zeit zur Entspannung kommt zu kurz, das beeinträchtigt das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit: Die mentale Überlastung schlägt sich möglicherweise in Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen nieder – die Symptome sind ähnlich wie bei einem Burnout. Oft machen sich dann Betroffene große Selbstvorwürfe, weil sie das Gefühl haben, den Aufgaben nicht gewachsen zu sein und im Privatleben zu versagen.
Überlastung im Haushalt, in der Kinderbetreuung und in vielen anderen Bereichen ist aber kein individuelles Versagen, sondern spiegelt die großen strukturellen Ungleichheiten unserer Gesellschaft wider. Frauen werden oft mit zusätzlichen Verpflichtungen konfrontiert, während Männer in traditionellen Geschlechterrollen weniger Verantwortung übernehmen. Ganz einfach weil genau diese Aufteilung bereits seit Jahrtausenden vorgelebt wird.
Wir alle sind mit diesen Geschlechterstereotypen aufgewachsen – selbst, wenn deine Eltern eine andere Rollenverteilung als die klassische gelebt haben, wurdest du von einem gesellschaftlichen Gesamtbild geprägt. Deshalb erfordert es eine bewusste Anstrengung, die typischen Geschlechterbilder zu überwinden und eine partnerschaftliche Beziehung zu leben. Es geht dabei um gemeinsame Verantwortung und ein unterstützendes Umfeld, in dem die Frauen nicht allein für die Organisation und Koordination der Familie zuständig sind.
Natürlich ist diese private Ebene nur ein Teil dessen, was an Veränderung notwendig ist. Auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit flexibleren Arbeitsmodellen, eine faire Verteilung von Elternzeit sowie die Anerkennung von Care-Arbeit sind zentrale Schritte, um Frauen zu entlasten. Hier sind allerdings Politik und Gesellschaft gefragt.
Trotzdem können wir dieses Ungleichgewicht auch zuhause angehen und Veränderungen einleiten. Teil davon ist, dass ihr in der Familie Wert auf eine gerechte Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten legt: Nur weil deine Mutter immer das Abendessen auf den Tisch gebracht hat, heißt das nicht, dass die Frau in deiner Beziehung das auch muss – insbesondere, wenn sie nicht gerne kocht. Auch Männer können eine Waschmaschine bedienen, bügeln oder sich um die Arztbesuche für die Kinder kümmern. Wenn du dich im Privatleben überlastet fühlst, dann bitte deinen Partner um Hilfe und finde mit ihm gemeinsam einen Weg.
Seien wir ehrlich, die Aufgaben rund um Haushalt und Familie werden in Zukunft nicht weniger werden. Der Müll muss einfach rausgebracht werden und auch Toilettenpapier kannst du nicht einfach für immer vom Einkaufszettel streichen. Wohl aber kannst du damit anfangen, die Aufgaben im Haushalt festzuhalten. Setz dich mit deiner Partnerin oder deinem Partner zusammen. Schreibt einmal auf, welche Aufgaben in eurem Zusammenleben so anfallen: Toilette putzen, Rasen mähen, Blumen gießen, Getränke kaufen, an Geburtstage und Geschenke denken, das Auto zum TÜV bringen. Falls ihr Kinder habt: Schulmaterialien besorgen, für passende Kleidung sorgen, Ferientermine im Kopf haben … Euch fällt bestimmt eine Menge ein. Im nächsten Schritt könnt ihr in der Liste hinterlegen, wer sich normalerweise um was kümmert. Nun überprüft: Ist das Verhältnis ausgeglichen? Seid ihr zufrieden mit der Aufteilung?
Wenn ihr einen Überblick habt, welche Aufgaben anfallen, und mit der Aufteilung nicht zufrieden seid, solltet ihr umverteilen. Das wird sich anfangs etwas seltsam anfühlen und viel Planung in Anspruch nehmen. Führt Listen, schreibt Erinnerungen, macht Häkchen – feste Gewohnheiten lassen sich nicht von heute auf morgen verabschieden. Hilfreich sind feste Termine für wiederkehrende Aufgaben wie Betten beziehen, Fußboden wischen oder Fahrräder fit machen. Außerdem könnt ihr digitale Helfer verwenden, etwa eine digitale Einkaufsliste, einen gemeinsamen Kalender oder sogar eine gemeinsame E-Mail-Adresse. Wichtig ist es auch, dass ihr euch nicht nur einmal absprecht, sondern euch immer wieder gemeinsam Zeit nehmt und überprüft, ob ihr beide mit der aktuellen Aufteilung zufrieden seid.
Müll rausbringen, das Auto zum TÜV fahren oder den Elternabend besuchen – das sind alles für sich wichtige, aber dennoch einzelne Aufgaben. Um den Überblick zu behalten, kann es sinnvoll sein, in Aufgabenbereichen zu denken. So kann eine Person für den gesamten Bereich „Wäsche“ zuständig sein, also Kleidung waschen, aufhängen, bügeln, zusammenlegen und verräumen, die andere für den Bereich „Einkauf und Essensplan“. Auch das Auto oder der Garten können Bereiche sein, die komplett in die Zuständigkeit einer Person fallen. Solange unterm Strich alles fair aufgeteilt ist, könnt ihr hier auch nach Vorlieben und Fähigkeiten vorgehen. Eltern können sich zudem die Zuständigkeit für ihre Kinder aufteilen: Jeweils ein Elternteil kümmert sich um alle Belange, inklusive Elternabenden, Arztterminen und Betreuungssituation für ein Kind.
Diese Tipps sind erste Schritte in Richtung einer gerechteren Aufteilung des Mental Loads – und damit in Richtung eines stressärmeren, harmonischeren Familienlebens.
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Ein Artikel zu dem Thema für alleinerziehende Personen wäre hilfreich... Ideen dazu?
Mental load ist ein Problem für viele Frauen in einer Beziehung und meist mit Kindern. Und die Gründe dafür sind strukturell, ja. Das ist alles unbestritten.
Jedoch ist es völlig einseitig, mental load nur immer als Problem von Müttern zu definieren. Der Begriff wurde ursprünglich in der Arbeitspsychologie geprägt. Und in der Arbeit spielt Mental Load auch immer noch eine zentrale Rolle. Gerade in der heutigen Zeit wo so viele Menschen ausbrennen und depressiv werden, ist die Arbeitswelt ein ganz wichtiger Faktor. Mental load in der Arbeit kann auch strukturelle Gründe haben, z.B. zu wenig PErsonal in Berufen wie Pflege, Schule usw. Mental Load in der Arbeit kann sogar auch Gründe haben in traditionellen geschlechterspezifischen Rollen: Es gibt (nach meiner subjektiven Erfahrung) nach wie vor viele männliche Führungspersonen, die für sich in Anspruch nehmen möglichst frei zu sein, kreativ in grossen Visionen zu denken, überbeschäftigt zu tun (während sie 3 Stunden beim Business lunch sind) und von "unwichtigen Kinkerlitzchen" entlastet zu werden - durch die oft weibliche Mitarbeiterin, Sekretärin, Assistentin, die ihm dem grossen Mann an der Spitze, "den Rücken frei hält" ganz wie die brave Ehefrau, indem sie ihm alles erdenkliche abnimmt. Sind Chef und Mitarbeiterin happy damit ist das auch kein Problem. ist die Mitarbeiterin aber z.B. gar nicht dafür angestellt sondern eigentlich in einer Funktion auf Augenhöhe mit dem entsprechenden Mann, wird es problematisch, wenn er laufend Aufgaben wie "Protokoll schreiben" meint auf die Kollegin abschieben zu können. wir frauen schuften das dreifache und haben auch die dreifache Mental load während die männlichen Kollegen sich dann die interessanteren Anteil der Arbeit rauspicken - während wir den Laden am Laufen halten.
Ganz absurd wird es dann wenn die weibliche Kollegin mit Kindern von mir, weibliche Kollegin ohne Kinder, endlos Verständnis für ihre "Belastung" einfordert und das auch handfest - indem SIE früher geht während ich die Stellung halte, das Vorrecht hat bei der Auswahl der Urlaubstage weil es "für mich die keine Kinder hat ja nicht darauf ankommt", einfordert dass Sitzungen so angesetzt werden wie es für sie passt weil sie ja noch die Kleinen abholen muss - völlig egal ob es dann allen anderen noch passt - usw. Dann wird der Mental-Load-ist-ein-Mütter-Problem-Diskurs regelrecht toxisch. Ich würde mir da wirklich etwas mehr Ausgewogenheit wünschen.
Sehr geehrte Frau Günther,
Danke für Ihren Artikel über Mental Load.
Ich würde es begrüßen, wenn Sie auch ein paar Tipps für Alleinerziehende veröffentlichen könnten. Denn ohne Partner stellt sich das Thema anders dar. Und auch das Einbinden von Freunden oder Verwandten ( falls überhaupt vorhanden oder gewollt), ist nur bedingt eine Hilfe/Lösung.
Ich bin als Alleinerziehende jederzeit für alles verantwortlich. Durch diese extreme Aufgabenhäufung und Dauerverantwortung entsteht ein Leben ohne Pause. Vor allem, wenn die Kinder noch klein sind.
Über konkrete Hilfestellung und praktische Tipps würde ich mich sehr freuen.
Ich habe schwierige 5 Jahre hinter mir, in denen ich mich sehr gut aufgestellt habe. Jedoch überwiegend ohne Hilfe von außen.
Weiterhin freue ich mich sehr, dass es den PAL- Verlag gibt. Sein Angebot ist toll!
Freundliche Grüße
Kathrin